Schreibwerkstatt - plot-building
Haben Sie die ein oder andere Geschichte skizziert? Hat sich ein Favorit herauskristallisiert? Ja? Nun, dann kann es ja mit dem plotting losgehen. Was plotting ist? Der Begriff stammt aus der Filmbranche. Der Plot ist nichts anderes als die Handlung eines Filmes. Plotting, manchmal auch plot-building genannt, wird das Entwerfen oder Planen der Handlung im Vorfeld einer Produktion genannt. Bevor Sie mit dem plotting beginnen, möchte ich Ihnen noch ein paar Tipps mitgeben, mit der Hoffnung, dass es Ihnen Zeit und Lehrgeld erspart. Denn eins ist klar, Schreiben „kostet“ Zeit.
1. Geschichten leben von Charakteren. Bevor sie mit dem Schreiben beginnen, sollten Sie Charaktere erschaffen, mit denen sich der Leser identifizieren kann. Die tollste Geschichte wirkt nicht, wenn die Figuren flach und farblos sind. Gute Figuren haben eine Vorgeschichte, sie besitzen Abgründe, Marotten usw. Das gilt für Helden, den Protagonisten ebenso, wie für den Antagonisten, den Bösewicht. Skizzieren sie die Charaktere in einem separaten Dokument, aber übertreiben Sie es nicht. Lassen Sie ihren Figuren Spielräume. Sie werden sich während des Schreibens entwickeln. Zeichnen Sie diese Entwicklungen ebenfalls auf, damit Sie während des Schreibens darauf zurückgreifen können.
2. Der wohl wertvollste Tipp, ich glaube, er stammt auch von Ingmar Bergmann, ist: Fang mit dem Schluss an. Man muss ihn nicht gleich als fertigen Text verfassen, es reicht, wenn man ihn im Mini-Exposé skizziert. Es passiert häufig, dass angehende Autoren von ihren Charakteren und dem Anfang einer Geschichte so begeistert sind, dass sie einfach drauf los schreiben. Das kann sehr spannend sein und motiviert auch für eine ganze Weile, weil man die Geschichte noch nicht kennt und jedes mal gespannt ist, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Das birgt aber die Gefahr, dass man keinen Schluss findet und im schlimmsten Fall, landet das Manuskript für immer in der Schublade. Wer kein ausführliches plot-building betreiben will, der sollte wenigstens wissen, wie die Geschichte ausgeht. So hat man ein Ziel, auf das man hinschreiben kann. Außerdem:
Ein guter Anfang macht neugierig, ein guter Schluss macht Fans!
3. Sind Sie mehr der Typ für das plot-building? Vorsicht. Auch das kann man übertreiben. Wer die gesamte Story schon im Vorfeld bis ins kleinste Detail festschreibt, um dann hinterher nur noch, wie bei einer to-do-Liste, Kapitel für Kapitel abzuarbeiten, begegnet der Gefahr, nie mit dem Schreiben anzufangen. Immer ist noch etwas unschlüssig, immer fehlt noch ein Detail. Mein Tipp: Fangen Sie schon während des plot-buildings an, kleinere Szenen, am besten Dialoge zu schreiben. Sie werden feststellen, dass ihre Charaktere plötzlich ganz anders handeln, als sie dachten. Der Plot wird sich auch während des Schreibens noch mehrfach ändern. Seien Sie offen dafür. So erhalten Sie sich auch die Motivation, die Story zu ende zu schreiben.
4. Beachten Sie während des plot-buildings Ihre Erzählperspektive (Wikipedia). Was weiß der Leser zu einem bestimmten Zeitpunkt? Muss ich ihn auf die Folter spannen, um die Spannung zu erhalten? Passt es zu meiner Schreibperspektive, diese oder jene Information zurückzuhalten, oder würde es unnatürlich und aufgesetzt wirken? Legen Sie unbedingt am Anfang fest, welche Schreibperspektive Sie nutzen wollen. Legen Sie auch fest, in welchem Tempus Sie ihre Geschichte schreiben wollen. Am einfachsten und gängigsten ist die einfache Vergangenheit. Die zentrale Frage ist: Was braucht meine Geschichte, damit sie den Leser mitnimmt?
5. Die Heldenreise (Wikipedia). Beschäftigen Sie sich im Vorfeld unbedingt mit der Heldenreise nach Joseph Campbell. Für Autoren ist die 12-stufige Adaption von Vogler am praktikabelsten. Es gibt eine ganze Reihe von Schemata, wie man einen Plot aufbauen kann. Die Heldenreise, wie sie der Mythenforscher Campbell beschrieben hat, ist aber das einzige Schema, das auf psychologischen Prinzipien aufbaut, den sogenannten Archetypen. Wer es schafft das Prinzip zu verinnerlichen, hat eine Art Geheimwaffe, denn der Leser reagiert auf die archetypischen Bilder, als würde man auf einen Knopf drücken.
Wichtig: Wenn Sie die Heldenreise als Blaupause für das plot-building verwenden, dann arbeiten Sie ALLE Punkte nach Vogler ab. Viele angehende Autoren fragen, ob man ggf. den ein oder anderen Punkt weglassen könnte. Nein, sollte man nicht. Gerade wenn man die Heimreise des Helden vergisst, wirkt eine Geschichte unvollständig, der Schluss plötzlich und abgehackt. Bei der Gewichtung der einzelnen Stufen, hat man Freiheiten.
Hier eine schöne Präsentation zur Heldenreise, entstanden an der HS Merseburg.
Die Heldenreise nach Joseph Campbell von RupertDeshaun
6. Der Plot-Aufbau. Arbeiten Sie nach dem Prinzip: vom Groben zum Feinen. Die gröbste Struktur ist die 3-Akte-Struktur (Spielfilmdramaturgie). Die nächste Verfeinerung wäre dann die 5-Akte-Struktur. Ich empfehle gern die 6-stage-plot-structure (Michael Hauge) nach Michael Hauge. Er formulierte die 5-Wendepunkte, die die 6 Stages miteinander verbinden. Wer will, kann nun noch weiter verfeinern, und die Heldenreise als feinste Struktur verwenden. Im Download unter diesem Artikel finden Sie eine schematische Darstellung, die die verschiedenen Strukturen zeigt. Die Prozenteinteilung gilt vor allem für Drehbücher und sind als Empfehlung für Drehbuchautoren zu verstehen.
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